Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 2020; 14(01): 67-80
DOI: 10.1055/a-1029-5908
Perioperative Medizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Patient Blood Management in der Allgemein- und Viszeralchirurgie

Patrick Meybohm
,
Kai Zacharowski
,
Suma Choorapoikayil
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
03. Februar 2020 (online)

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Die Anämie zählt in der Chirurgie zu den am häufigsten gestellten Diagnosen und ist ein ernst zu nehmender Faktor mit gravierendem Einfluss auf die Patientengenesung. Patient Blood Management (PBM) ist ein individuelles Behandlungskonzept zur Reduktion von Anämie, Vermeidung unnötiger Blutverluste und für einen rationalen Einsatz von Blutprodukten. In der Behandlung von Patienten mit einem chirurgischen Eingriff führt PBM zu einer Optimierung patienteneigener Ressourcen durch die Minimierung diagnostischer und therapeutischer Blutverluste und der Anwendung eines intensivierten Gerinnungsmanagements.

Kernaussagen
  • Die erfolgreiche Umsetzung von Patient Blood Management schont und stärkt patienteneigene Ressourcen, verringert unnötige Blutverluste und reduziert den Transfusionsbedarf allogener Blutprodukte. Damit werden das Outcome der Patienten verbessert, die Patientensicherheit gesteigert und Kosten reduziert.

  • Die Anämie zählt in der Medizin zu den am häufigsten gestellten Diagnosen.

  • Eine Anämie, auch bereits in milder Form, ist als eigenständiger und unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten von Komplikationen einzustufen.

  • Prinzipiell sollte jede Anämie – nach Möglichkeit – abgeklärt und nicht dringliche Eingriffe bis zum Abschluss der entsprechenden Anämiebehandlung verschoben werden.

  • Der Einsatz von intravenösen Eisen und/oder Erythropoese-stimulierenden Agenzien ist bei speziellen Patientengruppen sinnvoll (v. a. Patienten mit nachgewiesenen Eisenmangel, Ablehnung allogener Blutprodukte – Zeugen Jehovas, Patienten mit seltener Blutgruppe und/oder relevanten Antikörpern, renale Anämie).

  • Ein wesentliches Element von Patient Blood Management ist die Prävention und Minimierung von unnötigen Blutverlusten, die beispielsweise im Rahmen der täglichen Laboranalytik entstehen. Dies kann z. B. durch Verwendung geschlossener Druckaufnehmersysteme, Reduktion der Anzahl der Blutentnahmen auf das notwendige Minimum, die Nutzung kleinerer Monovetten oder Monovetten mit geringerem Füllvolumen gelingen.

  • Blutprodukte sollten prinzipiell basierend auf der Querschnitts-Leitlinie der Bundesärztekammer zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten eingesetzt werden. Um ein individualisiertes, an der klinischen Symptomatik des Patienten ausgerichtetes Vorgehen zu ermöglichen, sollte die Indikation zusätzlich patientenspezifische Faktoren, Laborwerte, die Anwesenheit oder Abwesenheit von Koagulopathie sowie physiologische Faktoren berücksichtigen.

  • Im OP-Saal, aber auch auf Station kann ein EDV-gestütztes Anforderungssystem mit integriertem Behandlungs- und Entscheidungsalgorithmus (z. B. Anzeigen von Laborergebnissen oder Warnhinweisen) von Vorteil sein, um in der Praxis eine rationale, leitlinienorientierte Transfusionsstrategie zu etablieren.